22.03.2024

Act2Sustain Transfertag zu zirkulärer Wertschöpfung

Mir zirkulärer Wertschöpfung können Ressourcen geschont und effizienter genutzt werden. Für die Transformation in ein solches Kreislaufwirtschaftssystem braucht es Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. Über Herausforderungen und Lösungsideen sind Unternehmen mit Forschenden und Studierenden der HSBI beim Transfertag ins Gespräch gekommen.

Bielefeld (hsbi). Gruppentische mit jeweils sechs Plätzen statt klassische Stuhlreihen – für eine HSBI-Veranstaltung ein ungewöhnlicher Aufbau im Konferenzbereich. Beim Act2Sustain Transfertag der Hochschule Bielefeld (HSBI) gab es nach jedem Vortrag Zeit, sich in den kleinen Gruppen über das eben Gehörte auszutauschen und per Handy Fragen einzutippen, die prompt auf der Leinwand angezeigt und anschließend beantwortet wurden. Das Thema der Veranstaltung am 19. März lautete „Circular Economy und die EU-Öko-Design-Verordnung“. Circular Economy (zu Deutsch: zirkuläre Wertschöpfung) ist ein zentrales Thema im ITES, dem Institut für Technische Energie-Systeme an der HSBI, weshalb das ITES das Event federführend organisierte. Das Unternehmen GEA war Mitorganisator.

HSBI: Circular Economy ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie

Zu Beginn stellte Prof. Dr. Natalie Bartholomäus, Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit und strategisches HRM an der HSBI, das Programm Act2Sustain und Circular Economy im Kontext der Nachhaltigkeitsstrategie vor. Nachhaltigkeit ist an der HSBI Teil der Gesamtstrategie und personell wie institutionell fest in der Hochschulleitung verankert. „Die Umsetzung von Act2Sustain erfolgt in allen Kernbereichen der Hochschule – Studium & Lehre, Forschung & Transfer, Governance, Campus sowie Gebäude und wird von interdisziplinären Teams in einem für alle offenen Prozess verfolgt. Mit dem heutigen Tag leistet die HSBI, eingebettet in ein dichtes Kooperationsnetzwerk mit regionalen Akteur:innen, einen weiteren Beitrag zur ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit in der Region OWL“, so Natalie Bartholomäus.

Mit Circular Economy, speziell im Bereich Kunststoffe, beschäftigt sich das Transferprojekt InCamS@BI, der Innovation Campus for Sustainable Solutions der HSBI und Universität Bielefeld. Nathalie Bartholomäus stellte Ziele und Vorgehensweise von InCamS@BI vor, das gemeinsam mit Unternehmen konkrete Einzelprojekte auf den Weg bringen möchte.  

Gleich zwei Unternehmen haben beim Transfertag spannende Einblicke in ihren Weg zur zirkulären Wertschöpfung gegeben: die GEA Group und die WAGO GmbH & Co. KG sind beide Vorreiter in Sachen Circular Economy.

GEA: Lebenszyklus von Produkten und Produktteilen verlängern

Miriam Köster beim Act2Sustain Transfertag
Miriam Köster stellt vier Beispiele aus der Circular Economy Praxis bei GEA vor.

GEA ist weltweit einer der größten Systemanbieter für die Nahrungsmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie. Von GEA sprachen Miriam Köster, Junior Project Manager Sustainability, und Manfred Weidlich, Senior Manager Sustainability, über ihre Ansätze zur Implementierung der Kreislaufwirtschaft durch R-Strategien. Aus der Sicht von Manfred Weidlich sind die großen Herausforderungen, die mit der kommenden Ökodesign-Richtlinie einhergehen, die Ausrichtung von Entwicklungsprozessen auf Modularisierung, das Schließen von Materialkreisläufen, der Aufbau einer reversen Logistik sowie das Eingehen neue Partnerschaften und Kooperationen. „Gleichzeitig gehen damit aber auch großartige Möglichkeiten für Unternehmen hervor: Wir können neue Geschäftsmodelle entwickeln sowie die Nutzungsphase von Maschinen und Anlagen effizienter managen“, so Manfred Weidlich.

Von den bekannten R-Strategien fokussiert der Technologiekonzern GEA die nachfolgenden fünf R‘s: Reduce, Re-use, Repair, Remanufacture und Recycle. In der Nachhaltigkeitsstrategie sind diese R-Strategien wie folgt verankert: „Verpackungsmaterialien für GEA Produkte sowie Ersatzteile müssen bis 2026 eines der fünf R‘s der Kreislaufwirtschaft erfüllen, so dass auch wir unseren Ressourcenverbrauch deutlich reduzieren können.“ Vier Beispiele aus der Praxis, konkret vom GEA-Standort in Oelde, stellte Miriam Köster vor: Zum einen habe GEA seine Ersatzteil-Logistik überarbeitet und kann so pro Jahr 50 LKW-Fahrten einsparen. Eingehende Kartonagen werden im Sinne von Reuse wiederverwendet und zu Verpackungsfüllmaterial verarbeitet. Dies bewirkt gleichzeitig einen Reduce-Effekt, der die Einkaufskosten des Füllmaterials um 30 Prozent reduziert. Eine Optimierung der eigenen Maschinen in der Produktion bewirkt eine jährliche Frischwassereinsparung von über 11.000 Litern. Und: Durch die Optimierung und Dezentralisierung des Reparaturnetzwerkes für Getriebe konnten 14.000 Tonnen CO2 pro Jahr gespart werden. „Für GEA zeigte sich: Kreislaufstrategien mit höherer Wirkung sind nicht immer mit höherem Aufwand verbunden“, berichtet Miriam Köster. Bereits heute gestaltet GEA bei der Produktentwicklung ihre Anlagen und Maschinen zirkulär. Dabei wird insbesondere die Nutzungsdauer der Maschinen und Anlagen betrachtet, da hier der wesentliche Wasser- und Energieverbrauch anfällt.  

WAGO: Circular Economy geht nur gemeinsam

Den WAGO-Circular Economy Actionplan stellte Astrid Burschel, Vice President Corporate Sustainability bei WAGO, vor. Die international tätige Gruppe mit Hauptsitz in Minden ist bekannt für Verbindungstechnik, Interface Electronics und Automatisierungstechnik. Das Unternehmen geht zielorientiert vor. Seine Ziele für 2030 lauten: Strategie, Befähigung der Beschäftigten, Ressourcenschonung und Wertversprechen.

Es gibt jetzt schon WAGO-Bauteile wie eine Verbindungsklemme, die zu mindestens 27 Prozent aus recyceltem Material (genauer: Post-Consumer-Rezyklat) bestehen. Für Burschel ist eine der Herausforderungen der kommenden EU-Ökodesign-Richtlinie, dass sie nicht auf Kosten der Sicherheit gehen dürfe. „Unsere Komponenten müssen teilweise einen sehr hohen Sicherheitsstandard aufweisen – das geht noch nicht mit Rezyklaten“, so Burschel.

Wie können sich Wirtschaft und Forschung noch stärker vernetzen und gemeinsam Erfolge hervorbringen?

Eva Schwenzfeier-Hellkamp beim Act2Sustain Transfertag
Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp bringt die R-Strategien in Zusammenhang mit den einzelnen Phasen eines Produktlebenszyklus.

Was erwarten oder benötigen Unternehmen von uns als Hochschule für angewandte Wissenschaften? Welche Austauschformate würden eine Zusammenarbeit verbessern und intensivieren? Fragen wie diese warf Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp, Leiterin des ITES, in den Raum. In ihrem Vortrag stellte sie die Aktivitäten in Lehre und Forschung an der HSBI zum Thema Circular Economy vor: Von Modulen für Studierende über Projekte mit Unternehmen bis hin zur Einbindung von Abschlussarbeiten in die Forschung.

Unterstützt wurde sie dabei von Dr. Fabian Schoden, der über das Programm Career@Bi sowohl im ITES als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bereich Circular Economy und Erneuerbare Energien arbeitet als auch bei Schüco. Bei Schüco konzentriert er sich auf ein Sustainability Assessment Tool nach Cradle to Cradle. Durch diese Aufteilung werden Synergien geschaffen und Post-Doc Fabian Schoden zugleich für eine HAW-Professur qualifiziert.

Katharina Schnatmann, die am Fachbereich Ingenieurswissenschaften und Mathematik an der HSBI promovieren möchte, erklärte ihr Thema: Zirkularität in der kristallinen Photovoltaik. Schnatmann untersucht die Strategien Reuse für Photovoltaikmodule und Redesign für Neuprodukte. Dafür möchte sie künftig Zustandsprüfung und Langzeituntersuchungen der Degradation von Modulen im Second-Life Bereich machen.

Zum Schluss waren noch zwei Studierende auf der Bühne. Moritz Hetzel, der Regenerative Energien an der HSBI studiert, hatte GEA schon beim Makeathon von InCamS@BI und ITES kennengelernt und sich im vergangenen Semester mit der Frage beschäftigt, wie die Zitzengummis, die beim Melken eingesetzt werden können, von GEA weiterverwertet werden können. Seine Ideen aus der Projektarbeit passten hervorragend zum Transfertag. Sein Fazit: Recycling ist die einzig sinnvolle R-Strategie an dieser Stelle.

Abschließend berichtete Thomas Kaufmann von seiner Masterarbeit: Systematische Untersuchung von Konstruktionsmethoden im Bereich Nachhaltigkeit.

Das größte Potenzial liegt in Neuprodukten

Eva Schwenzfeier-Hellkamp brachte den Input des Tages in ihrem Fazit gut auf den Punkt:

  • Ein Unternehmen, eine Hochschule schafft das nicht alleine: Wir brauchen transformative Allianzen, um eine zirkuläre Wertschöpfung zu gestalten.
  • Unternehmen, die in die Circular Economy einsteigen wollen, können mit schnellen Erfolgen, sogenannten Quick-Wins, starten, um die positiven Aspekte der zirkulären Wertschöpfung sichtbar zu machen und die Akzeptanz im Unternehmen zu steigern.
  • Unternehmen sollten ihre Produkte den R-Strategien zuordnen und den Fokus nicht ausschließlich auf Bestandsprodukte legen. Denn:
  • Das größte Potenzial für Circular Economy liegt in Neuprodukten.

Viele Impulse, die die Teilnehmer:innen nach dem Transfertag mit nach Hause nehmen – und hoffentlich auch anwenden können. (gs)